Keine andere Muskelgruppe wird so häufig trainiert wie die Bauchmuskeln. Doch leider wird auch keine andere Muskelgruppe so oft falsch trainiert. Jeder wünscht sich einen flachen Bauch, die Schwimmreifen rund um die Körpermitte stören und die zu enge Hose muss wieder passen. Schnell wird der Gedanke an ein Bauchtraining umgesetzt, ist es doch ohne Hilfsmittel und auch ohne Mitgliedschaft in einem Fitnessclub jederzeit und überall möglich, den unter dem Fett liegenden Sixpack zu quälen.
Die Lockdowns tragen ebenfalls ihren Teil dazu bei. Weniger Bewegung macht sich am unliebsamen Hüftgold bemerkbar und die geschlossenen Fitnessclubs, können zumindest was das Bauchmuskeltraining betrifft, schnell mit einer bunten Matte und der ein oder anderen „exotischen“ Bodenübung ersetzt werden. Online Videos, Fernseh- Vorturner und die überlieferten Bauchmuskelübungen aus dem Fußballverein werden Teil der Aktivität, um dem unliebsamen Fett am Bauch den Kampf anzusagen. Das diese überlieferten Übungen und leider auch die gezeigten Bauchworkouts der jungen Youtuber meist falsch und Grund für viele Beschwerden des Bewegungsapparates sind, wissen jedoch die wenigsten.
1. Der Mythos der lokalen Fettverbrennung
Durch eine Bauchmuskelübung verbrennt der Körper kein Fett, das darüber liegt! Das Training dient ausschließlich der Kräftigung und der Erhöhung des Muskeltonus.
Körperfett wird im Ruhezustand verstoffwechselt, ohne den Ort der Entnahme der Fettsäuren unseres Körpers steuern zu können. Werden durch ein Krafttraining mit anschließendem moderatem Ausdauertraining unsere Energiespeicher
von Zucker und Fettsäuren entleert, holt sich der Körper im Ruhezustand die Fettsäuren für die Auffüllung der Speicher wieder aus den Depotfetten. Vom ganzen Körper, egal welche Muskelgruppe wir vorher trainiert haben.
2. Es gibt keine unteren Bauchmuskeln
Die anatomische Ansicht zeigt, dass unsere Bauchmuskulatur vom Brustbein bis zum Schambein führt. Man unterscheidet dadurch nicht zwischen einer oberen oder unteren Bauchmuskulatur. Bei Situps, Chrunches, Beckenheben, oder auch im Bauchgerät, wird immer nur DER gerade Bauchmuskel trainiert, ohne unten oder oben isolieren zu können! Die Form der Bewegung, ob der Brustkorb zum Becken, oder das Becken zum Brustkorb (Beckenheben) gewölbt wird, macht keinen Unterschied im Hinblick auf die Zielmuskulatur. Aufgrund von falschen Überlieferungen wird das trotzdem immer noch angenommen und Trainer in Fitnessclubs nach entsprechenden Übungen gefragt.
Der Grund für das Interesse an einem Training für „den unteren Bauch“ liegt daran, dass sich alle eine lokale Fettverbrennung, ein sogenanntes „Abtrainieren“ des Bauchfettes, dabei erhoffen. Genetisch bedingt ist es einfach so, dass am Unterbauch mehr Fett eingelagert wird als im oberen Bereich.
3. Falsches Training und die damit verbundenen Fehlbelastungen
Wir wissen jetzt, dass es nur einen geraden Bauchmuskel gibt, der von ganz oben bis ganz unten reicht. Um die Bauchmuskulatur richtig zu trainieren, muss der Drehpunkt immer in der Rumpfmitte liegen, um Ansatz und Ursprung zusammenzuführen. Also Brustbein zum Becken, oder umgekehrt. Liegt der Drehpunkt beim
Hüftgelenk, führen die Bewegung unsere Hüftbeuger aus. Jene Muskeln und Bänder, die den Oberkörper mit den Beinen verbinden und zB. das Heben der Beine ermöglichen. Genau aus diesem Grund ist das Beinheben, egal ob liegend oder hängend, auch keine Übung für unsere Bauchmuskeln. Auch Rumpfbeugen im gestreckten Zustand – oft auch noch mit eingehängten Füßen oder Beinen, führen die Hüftbeugemuskeln aus und sind kein Bauchtraining! Diese Bewegungsformen sind nicht nur falsch, sie schaden sogar massiv unserer Lendenwirbelsäule.
Der Grund liegt darin, dass die Hüftbeuger dabei gegen die LWS ziehen und das Becken dabei ins Hohlkreuz kippen lassen. Die Hüftbeuger verkürzen durch diese falsche Trainingsform zudem und verursachen eine Dauerbelastung des unteren Rückens! Dass man die Bauchmuskulatur trotzdem spürt, obwohl die Bewegung unsere Hüftbeuger ausführen liegt daran, dass sie in eine statische Kontraktion „gezwungen“ werden und verkrampfen!
4. Zu häufiges Bauchmuskeltraining
Viele trainieren ihre Bauchmuskeln täglich. Ob am Morgen nach dem Aufstehen, oder bei jedem Training „zum Aufwärmen“ im Fitnessclub. Die Begründung liegt wiederum in den oben erklärten falschen Annahmen, damit schnell einen flachen Bauch- oder sogar einen Sixpack zu bekommen. Auch wenn man es richtig ausführt schadet zu häufiges Bauchmuskeltraining der Gesundheit, da die Kraft der Bauchmuskulatur immer größer wird, jedoch seine Gegenspieler, die Rückenstrecker und auch die Gesäßmuskeln, vernachlässigt werden. Das führt zu Dysbalancen der Haltungs- und Stützmuskulatur, Haltungsschäden, einer negativen Krümmung der
Wirbelsäule, Nackenverspannungen, LWS Beschwerden, usw. Daher reicht es völlig, die Bauchmuskulatur 1- bis 2 x pro Woche zu trainieren, vor allem dann, wenn man bei seinem Workout ein Training mit freien Gewichten inkludiert. Kniebeugen,Bizepscurls, Latziehen & Co., aktiviert unsere Bauchmuskeln durch die Stabilisation des Rumpfes zusätzlich.
Drehbewegungen und Seitbeugen – wie immer wieder beobachtet – sollte man beim Bauchmuskeltraining meiden. Ein Verdrehen und Beugen der Wirbelsäule muss korrekt ausgeführt werden (was allerdings die wenigsten können), da es sonst zu einer Negativbelastung der gesamten Wirbelsäule bzw. in der Verbindung von Becken und Wirbelsäule- den ISG Gelenken kommt. Warum es ausgeführt wird, liegt auf der Hand: der seitliche „Schwimmreifen“ oberhalb der Hüfte muss weg! …und, funktioniert das? Was denkst du?
Trainierst du deine Bauchmuskeln richtig?
RICHTIG:
– ROLLbewegung
– Drehpunkt in der Rumpfmitte O
– Brustbein wird zum Schambein gerollt, oder umgekehrt
– Bauchmuskulatur arbeitet aktiv
– positive Auswirkung auf die Wirbelsäule
FALSCH:
– HEBEbewegung
– Drehpunkt in der Hüfte X
– Abstand z wischen Brustbein und Schambein bleibt nahezuunverändert
– Hüftbeugemuskulatur arbeitet aktiv
– Bauchmuskulatur ist nur statisch angespannt und verkrampft
– massive Belastung der Lendenwirbelsäule